Konkord 139

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Die Buben im Pelz

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Nach zehn Jahren stürmischer Liebe geben die Burenwurst und der Tod ihre Vermählung in der Konservendose bekannt.

Im Jahr 2015 lieferte die Rockgruppe Die Buben im Pelz einen gewagten musikalischen Stunt ab: die Übertragung des hünenhaften rockgeschichtlichen Referenzalbums The Velvet Underground & Nico ins Wienerische Idiom. Ein mutiger Versuch, der mit einem heftigen Bauchklatscher und darauffolgender, noch schmerzhafterer Schadenfreude des Publikums hätte enden können. Aber nein, die Buben haben ihre Sache wirklich sehr, sehr gut gemacht und ihrerseits ein Referenzalbum der lokalen Wiener Rockmusik vorgelegt. So groß war die Freude über die gelungene Immigration von Lou Reeds New York ins heutige Wien, so anhaltend die Begeisterung für das Oeuvre des amerikanischen Meisters, dass 2023 auch dessen Album Transformer dem Regelbuch für große Coverbands entsprechend für das einheimische Publikum verwandelt wurde. Nun folgt mit dieser köstlich verpackten EP ein finaler Nachschlag, eine Erweiterung zum dreigängigen Menü sozusagen. Und ein mehr als gelungener Abschluss einer nahezu epischen Hommage an eine der wichtigsten Bands und einen der größten Songwriter der Rockgeschichte.

 

Aber gehen wir zum Anfang zurück. Vor zehn Jahren wurde also eine ziemlich aberwitzige Idee in die Tat umgesetzt. Aus der Konkursmasse der erfolgreichen Neigungsgruppe Sex, Gewalt & Gute Laune heraus formulierten die beiden FM4-Radio-Personalities Christian Fuchs und David Pfister eine folgerichtige neue Idee: warum nicht ans Eingemachte gehen? Und an einem der ganz, ganz großen Signature-Alben der Popgeschichte beweisen, dass in Wien alles möglich ist, wenn nur das Herz am rechten Fleck ist und der Verstand nicht im falschen Moment aussetzt. Anders formuliert: warum sollten die raubeinigen, derben Geschichten aus dem Leben, wie Lou Reed sie gegen Ende der 1960er Jahre geschrieben hat nicht auch in einem anderen Setting, einer anderen Sprache funktionieren – wenn man es denn nur richtig gut macht?

 

Folglich wurde das New York City von vor 50 Jahren in die Donaumetropole der Gegenwart verlegt, die Banane zur Burenwurst carnivorisiert und der Rest ist eine ziemlich gelungene Erfolgsgeschichte. 2023 wurde mit der ebenso tiefgründigen Metamorphose von Transformer zu Verwandler mit anhaltendem Spielwitz noch ein wunderbares Nachfolgealbum aufgenommen.

 

Nun befinden wir uns in der letzten Runde: noch einmal VU/Reed, diesmal in Form einer Vinyl-EP. Vier Songs von Frauen, deren Leben irgendwann ins Nicht-ganz-so-Gute abgebogen ist. Vier menschliche Tragödien, zeitlos, poetisch, fundamental traurig mit einem kleinen Funken Hoffnung. Noch einmal Warhol, denn: was sollte man denn einem thematisch so stringenten Tonträger sonst für ein Cover schenken? Noch einmal Kulinarisches: die Campbells-Suppendose natürlich, neben der Banane ein weiteres weltberühmtes Tribut Warhols an das kulinarische Alltagsleben. Aber: wie übertragen wir das ins Wienerische? Eigentlich ganz einfach: indem wir uns aus dem Sortiment des Lokalmatadors, also der Firma Inzersdorfer, versorgen. Die Inzersdorfer-Konservendose, diese Ikone der österreichischen Konsumkultur und Lebensmittelindustriegeschichte ist ein mehr als geeigneter Ersatz für die amerikanische Tomatensuppe. Genauer gesagt: passt. Wie die Faust aufs Strizziauge. Köstlich!

 

Der Grafikdesigner Peter Hirth hat zwei historische Inzersdorfer-Dosen zu einem wunderbar geschmacksintensiven Coversujet verarbeitet. In der Kunstdruckinstitution Quint Screen Print in 1230 Wien wurden daraus nun im händischen Siebdruck neun (!) verschiedene Varianten gefertigt, eine farbenprächtige Hommage an die seriellen Arbeiten Warhols aus den 1960er und -70er Jahren. Auflagenzahl: zwischen 20 und 230 Stück. Verschiedene weitere Varianten in noch kleinerer Auflage drohen zusätzlich aufzutauchen. Farblich perfekt abgestimmt wurde dazu das Vinyl, klarerweise ebenfalls aus heimischer Produktion. Da haben die Fachleute bei Austrovinyl in 8350 Fehring wieder einmal ganze Arbeit geleistet. Und der geschätzte Musikerkollege Austrofred wiederum hat zwischen zwei Festivalaufritten Zeit gefunden, über einem schönen Teller Gulaschsuppe meditierend einen Begleittext zu verfassen, der keine kulturhistorischen Fragen offen lässt. Weder in musikalischer noch in kulinarischer Hinsicht. Mahlzeit!

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